Nachwort zur 4. Fachtagung “Liebe eben anders – Sexualität mit Sinn und Sinnlichkeit trotz Demenz”

Liebe eben anders – Sexualität mit Sinn und Sinnlichkeit trotz Demenz

Bereits zum 4. Mal haben die beiden Demenz-Servicezentren Region Köln und das südliche Rheinland und Region Bergisches Land eine Fachtagung zum Thema Demenz und Sexualität veranstaltet. Unter dem Motto „Liebe eben anders – Sexualität mit Sinn und Sinnlichkeit trotz Demenz“ fand die Fachtagung am 30. Januar 2018 in Remscheid statt.

Knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich gegen 12 Uhr in der Klosterkirche Lennep zur Anmeldung und einem ersten Kennenlernen beim Stehcafé ein. Um 12.30 Uhr wurde die Fachtagung dann von Monika Wilhelmi und Stefan Kleinstück eröffnet. Moderiert und durch den Tag geführt hat die Kölner Moderatorin Anja Stiel.

Dr. Christoph Glaser, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlicher Leiter des Demenz-Servicezentrums Region Bergisches Land, hat zur Einstimmung aus seinem Alltag auf einer gerontopsychiatrischen Station und den dort gesammelten Erfahrungen mit demenziell veränderten Patienten und dem Thema Sexualität berichtet. Aus dem Publikum gab es immer wieder zustimmendes Nicken, da viele der Anwesenden ganz ähnliche Erfahrungen im Umgang mit den Patienten selbst, aber auch mit deren Angehörigen gemacht haben.

Um zusätzlich verschiedene Stimmen einzufangen, haben wir im Vorfeld einige Interviews geführt. Zum einen haben wir mit Passanten in einer Fußgängerzone in Köln gesprochen, zum anderen mit professionell Tätigen aus dem bergischen Städtedreieck. Daraus entstand dieser Film, welcher im Anschluss an Dr. Glasers Ansprache vorgeführt wurde:

Sinnlichkeit kann mit allen fünf Sinnen wahrgenommen und erlebt werden. Um dies zu verdeutlichen hat Anja Stiel einige Gegenstände zum fühlen, sehen, hören, riechen und schmecken durchgereicht, um das Publikum so auf eine kleine Entdeckungstour einzuladen.

Die Open-Space-Konferenz

Nach dieser Einstimmung hat die Moderatorin Anja Stiel den weiteren Ablauf der Fachtagung erklärt. Da das Thema sehr komplex ist, haben wir uns im Vorfeld bewusst für ein sehr offenes Format entschieden, welches allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Raum für eigene Themen bietet. Das Format einer Open-Space-Konferenz erschien dafür am geeignetsten.

Am Veranstaltungsort standen fünf unterschiedlich große Räume zur Verfügung, so dass wir in zwei Durchläufen je fünf verschiedene Themen-Panels laufen lassen konnten. Die Themen wurden im Vorfeld von allen gemeinsam besprochen und jede* Teilnehmer*in konnte ein Wunschthema vorschlagen. Da sich manche  Themen auch erst dann ergeben, wenn man darüber spricht oder gedanklich in ein Thema vertieft ist, gab es die Möglichkeit auch während der Panels weitere Themen vorzuschlagen und diese dann in einem späteren Panel umzusetzen. Wie bei einer Open-Space-Konferenz üblich, kann man die Räume und somit die Themen zwischendurch auch wechseln. Im Foyer gab es durchgehend Getränke und kleine Snacks sowie die Möglichkeit zu weiterem Austausch miteinander.

Die folgenden Themen wurden während der Panelplanung von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgeschlagen:

Tafel mit angehefteten Programmpunkten

Der Zeitplan macht deutlich, dass „Sexualität und Demenz“ ein sehr vielfältiges Thema ist, welches Raum für verschiedene Aspekte lässt.

Gespräche mit Angehörigen über Sexualität meistern

Auf besonders großes Interesse traf der Panel, in welchem es um den Umgang mit Angehörigen ging. Für viele Pflegende sind Gespräche mit Ehepartnern, aber auch mit den Kindern der Menschen mit Demenz eine besondere Herausforderung. Während solcher Gespräche kommen häufig auf allen Seiten unterschiedliche Emotionen und Gefühle ins Spiel, wie zum Beispiel Eifersucht unter Eheleuten oder Ablehnung seitens der Kinder, denn viele Menschen möchten eigentlich nichts über die Sexualität ihrer Eltern wissen.

Für die teilnehmenden des Panels stand besonders die Frage im Raum, wie man solche Gespräche denn am besten führen kann. Alle Teilnehmer*innen waren sich einig, dass diese Gespräche unbedingt auf einer möglichst sachlichen Ebene geführt werden sollten. Angehörige sollten zunächst über das Thema Sexualität und Demenz informiert werden, denn vielen ist gar nicht bewusst, dass auch Menschen mit Demenz eine Sexualität haben und diese oft auch ausleben.

Um diese Gespräche gut führen zu können, ist es jedoch auch wichtig, die eigene Haltung gegenüber der Thematik immer wieder zu überprüfen. Wer sich der Thematik abgeneigt fühlt, wird dies unterbewusst auch in Gesprächen vermitteln. Zudem hilft eine Auseinandersetzung damit auch dabei, eigene Grenzen zu bemerken und dann auch zu setzen.

Immer wieder wurde von den professionell Pflegenden auch der Wunsch durch Unterstützung ihrer Einrichtung geäußert, sei es durch regelmäßige Gesprächsrunden, Supervisionen oder andere Interventionen. Viele fühlen sich hier von ihren Trägern, manchmal aber auch von Vorgesetzten und Kollegen alleine gelassen.  Dieser Wunsch besteht nicht nur um besser mit Angehörigen umgehen zu können, sondern ganz generell um mit diesem nicht immer einfachen Thema nicht alleine zu sein.

Einig waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gesprächsrunde, dass es wichtig ist, Sexualität und Demenz nicht weiter ein Tabuthema bleiben zu lassen, sondern sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Nicht nur auf Seite der professionell Pflegenden, sondern auch auf Seite der Angehörigen bedarf es noch viel Aufklärung und Information, aber vor allem auch Akzeptanz, um einen für alle guten Umgang zu finden.

Gruppe von Menschen, im Halbkreis auf Stühlen sitzend, von oben fotografiert

 

Raum für eigene Gefühle lassen

Auch die ehrenamtlich tätigen in den Besuchsdiensten sind natürlich damit konfrontiert, dass die von ihnen besuchten Menschen mit Demenz sexuelle Bedürfnisse haben. Und natürlich ist es auch in diesem Fall wichtig, einen für alle Beteiligten guten Umgang mit der Situation zu finden.

Besonders beschäftigte die teilnehmenden des Panels die Frage, wie man mit eigenen Gefühlen gegenüber der Situation am besten umgeht und wie es einem gelingt klare Grenzen zu setzen und diese auch zu kommunizieren. Hierzu besprachen die Teilnehmer*innen verschiedene  Situationen und eigene Erfahrungen. Dabei wurde festgestellt, dass es hilfreich ist, immer wieder nach innen zu gucken und mit sich selbst in Verbindung zu bleiben, um eigene Grenzen nicht zu überschreiten.

Deutlich wurde auch, dass der Umgang mit Sexualität auch immer viel mit sich selbst und den eigenen Vorstellungen von Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit zu tun hat. Dabei kann es helfen, sich ein klares Bild von der eigenen Rolle in verschiedenen Situationen zu machen um so das Selbstbewusstsein im Umgang mit sexuellen Situationen zu stärken.

Anja Stiel äußerte ihre Gedanken bezüglich der eigenen Rolle nach der Veranstaltung aus einem neuen Blickwinkel: “Wir sprachen über die sexuelle Selbstestimmung von Menschen mit Demenz. Wunderbar, dafür diesen Raum zu haben. Im Nachhinein fragte ich mich, ob wir das Thema anders angehen würden, wenn wir selber sexuell genährt sind und so in unseren Arbeitsalltag gingen. Was sich dann wohl veränderte? Wäre es vielleicht eine Option sinnliche Berührung erst selber zu erfahren, bevor wir diesen Dienst unseren Patientinnen anbieten? Das wäre vielleicht eine wundervolle win-win Situation.”

Übergriffe geschehen und dürfen nicht totgeschwiegen werden

Da Übergriffe leider nicht selten vorkommen, wurde auch darüber diskutiert, wie man sich selbst und andere vor Übergriffen schützen kann. Übergriffe können auf den verschiedensten Ebenen stattfinden. Sei es durch demenziell veränderte und dadurch sexuell enthemmte Menschen auf Ehepartner*innen, Mitbewohner*innen oder das Pflegepersonal, aber auch innerhalb von Beziehungen, zum Beispiel vom gesunden Partner*in  auf den Partner oder die Partnerin mit Demenz.

Im Panel wurde erst einmal versucht, den Begriff „Übergriffe“ etwas genauer zu definieren und Grenzen zu ziehen um ein klareres Bild davon zu erhalten, was ein Übergriff ist und was nicht. Ganz allgemein lässt sich hier jedoch festhalten, dass ein Übergriff immer dann stattfindet, wenn die Grenze einer oder mehrerer anwesender Personen überschritten wird. Hier muss berücksichtigt werden, dass jeder Mensch diese Grenzen individuell steckt.

Ein Schwerpunkt wurde während des Panels jedoch auf die Situation gelegt, dass Menschen mit Demenz übergriffig gegenüber dem Pflegepersonal werden.  Die Teilnehmer*innen besprachen hier verschiedene bereits erlebte Situationen und wie sie mit diesen Situationen umgegangen sind. Viele der teilnehmenden Pflegekräfte empfinden in übergriffigen Situationen eine große Hilflosigkeit, sich selbst, aber auch andere Patienten oder Mitbewohner, nicht besser vor Übergriffen schützen zu können.

Gegen Ende des Panels kamen die Teilnehmer*innen zu dem Ergebnis, dass es für die meisten Situationen, in welchen demenziell veränderte Menschen übergriffig werden, keine ganz klaren Lösungen gibt. Was die meisten Menschen als richtig oder falsch erachten, ist für viele Menschen mit Demenz eben nicht mehr greifbar, so dass viele Grenzverletzungen und Übergriffe völlig ohne böse Intention und ohne das Bewusstsein dafür, dass gerade ein Übergriff stattfindet, geschehen. Dennoch ist es wichtig, Sexualität und sexuelle Übergriffe immer wieder zu thematisieren und auch im Team zu besprechen. Ebenfalls ist es sehr wichtig, die Gefühle der Personen, deren Grenze überschritten wurde, ernst zu nehmen und die Person nicht als überempfindlich abzustempeln. Ein offener, vertrauensvoller und achtender Umgang innerhalb des Pflegeteams miteinander erleichtert vielen den Umgang mit Übergriffen.

Menschen sitzen auf Stühlen im Kreis

Wie können Menschen mit Demenz sexuelle Bedürfnisse ausleben?

Auch Menschen mit Demenz haben sexuelle Bedürfnisse und den Wunsch ihre Lust auszuleben. Doch nicht alle haben einen Partner oder eine Partnerin, mit dem / der sie Zärtlichkeiten und Intimitäten austauschen können. Eine mögliche Lösung ist in solchen Fällen der Einsatz von Erotikspielzeug. Der Markt ist in diesem Bereich sehr gut sortiert. Es gibt Vibratoren, Dildos & Co. in vielen verschiedenen Farben, Formen und Materialien in ganz unterschiedlichen Preisklassen. Das Angebot ist also da, die Umsetzung ist jedoch meistens noch mit viel Unsicherheit und auch Scham verbunden und wird deswegen in vielen Fällen gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Der Einsatz von Erotikspielzeugen ist natürlich auch mit vielen Fragen verbunden. Wer kauft diese Hilfsmittel – Angehörige oder das Pflegepersonal? Wird den Menschen mit Demenz Einsatz und Funktion erklärt? Wer reinigt die Geräte nach dem Einsatz und wo werden sie aufbewahrt? Wie reagieren Angehörige darauf? Braucht es die Erlaubnis der Angehörigen? Und wie können die professionell Pflegenden am besten mit all diesen Situationen umgehen?

Über diese Fragen sprachen die teilnehmenden des Panels miteinander. Niemandem war ein Fall bekannt, in welchem in einer Einrichtung Erotikspielzeug eingesetzt wurde, allenfalls Magazine wie Playboy. Abseits aller Fragen und der Scham fand der Einsatz von Erotikspielzeug in Einrichtungen Zustimmung, auch wenn der Weg vom Gedanken zur Tat sicherlich noch ein weiter Weg ist.

Erotikspielzeug auch in Heimen für Menschen mit Demenz einzusetzen ist bei  einigen Teilnehmer*innen durch den Panel auf der Fachtagung weiter in den Fokus gerückt. Auch wenn der Gedanke an Erotikspielzeug für ältere Menschen allgemein und für Menschen mit Demenz im Besonderen noch gewöhnungsbedürftig ist, so kann er in vielen Fällen auch helfen.

Wie könnte ein passender Raum für Zweisamkeit im Altenheim aussehen?  

Während der Fachtagung wurde nicht nur die emotionale Ebene in verschiedenen Panels besprochen, sondern auch die sachliche Ebene. Und so stellte sich für viele die Frage, wie sich Sexualität in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen denn gut umsetzen lässt und welche Voraussetzungen es dafür braucht.

Wünschenswert wäre es natürlich, dass Bewohnerinnen und Bewohnern von Einzelzimmern diese auch für lustvolle Aktivitäten nutzen können. Um in diesen Momenten auch ungestört zu sein, könnte es zum Beispiel eine Lösung sein dann ein Bitte-nicht-stören-Schild an die Türe zu hängen. Bei Menschen mit Demenz ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese das Schild einfach vergessen und hinterher nicht wieder entfernt wird groß, so dass ein Schild oder ein Ampelsystem oder ähnliches keine zuverlässige Lösung darstellt. Im Panel wurden verschiedene Lösungsansätze für diese Situation diskutiert, eine funktionierende und umsetzbare Lösung wurde jedoch nicht gefunden.

In vielen Einrichtungen gibt es auch noch Doppel- oder Mehrbettzimmer, welche den Bewohner*innen keinen Raum für ungestörte Intimität lassen. Hier könnte eine mögliche Lösung sein, dass seitens der Einrichtung ein spezieller Raum bereitgestellt wird, welcher dann bei Bedarf genutzt werden kann. Der Raum könnte zum Beispiel gemütlich eingerichtet sein und eine dimmbare Lampe für eine schöne Stimmung haben. Auch wenn der Gedanke an einen solchen Raum schön ist, so ist allen Teilnehmer*innen des Panels jedoch auch bewusst gewesen, dass die Umsetzung in der Realität aus verschiedenen Gründen eher schwierig ist.

Auch rechtliche Aspekte spielen eine Rolle  

Auch die rechtliche Einschätzung der Situation, wenn Menschen mit Demenz, welche in Heimen leben, ihre Sexualität ausleben, war für die Teilnehmer*innen der Fachtagung interessant.

Diskutiert wurden im Rahmen dieses Panels verschiedene Themen. So stand zum Beispiel zur Diskussion, ob und wann Privatzimmer von Bewohnern einer Einrichtung  durch das Pflegepersonal betreten werden dürfen.

Auch die Frage wie man sich am besten verhält, wenn man als Pflegekraft in einem Privatzimmer Bewohner bei sexuellen Handlungen überrascht oder Pornografie oder ähnliches findet, wurde diskutiert. Eine eindeutige Antwort gab es auf diese Frage nicht. Die Teilnehmer*innen wollen dies auch weiterhin je nach Einzelfall entscheiden, da es ja doch immer sehr auf die jeweilige Situation ankomme.

Die Privatsphäre der Bewohner*innen sollte natürlich so gut wie möglich gewahrt bleiben. Deswegen führte die Frage ab, wann Angehörige bzw. rechtliche Betreuer über sexuelle Aktivitäten oder auch Übergriffe auf andere Personen informiert werden müssen, zu weiterem Diskussionsstoff.

Einen rechtlichen Rahmen im Umgang mit Sexualität in Einrichtungen bieten auch die Leitlinien des jeweiligen Hauses / Trägers. Diese können sich sehr unterscheiden, besonders zwischen kirchlichen Trägern und privaten Einrichtungen. Den Mitarbeiter*innen können diese Leitlinien aber auch Sicherheit im Umgang mit der Thematik geben.

Und in Zukunft?

Seit den 1970er Jahren ist in Deutschland die Sterberate höher als die Geburtenrate. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung der Menschen weiter an. Somit gibt es in Zukunft nicht nur mehr alte Menschen, sondern die Menschen sind auch für einen längeren Zeitraum alt. Dies wird auch Heime und Einrichtungen vor neue Herausforderungen stellen, da sich das Publikum wandelt.

Durch bessere medizinische Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten werden auch Menschen mit einer körperlichen Behinderung immer älter und können im Alter auch dement werden. Natürlich haben auch viele dieser Menschen sexuelle Bedürfnisse, so dass im Umgang mit der Sexualität nicht nur emotionale sondern auch körperliche Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Heute leben auch mehr Menschen in homo- oder bisexuellen Beziehungen als die aktuelle Generation an älteren Menschen. Homophobie und Homofeindlichkeit sind dennoch weit verbreitet, so dass auch in Heimen entsprechende Konflikte entstehen können, sei es unter den Bewohner*innen selbst, als auch zwischen Bewohner*innen und dem Pflegepersonal. Dies trifft auch auf transidente Menschen zu.

Gemeinsam wurde während des Panels dann darüber gesprochen, wie sich entsprechende Konflikte am besten handhaben lassen. Recht schnell waren sich die Teilnehmer*innen des Panels einig, dass auch in diesem Bereich Aus- und Weiterbildung wichtig sind. Auch das Erschaffen neuer Strukturen, welche die Vielseitigkeit der Menschen berücksichtigen, wird für die Zukunft wichtig sein, damit alle gemeinsam gut leben können.

Offene Kommunikation ist wichtig

Während der verschiedenen Panel wurde immer wieder deutlich, dass den Teilnehmer*innen offene Kommunikation sehr wichtig ist. Sexualität in Zusammenhang mit Menschen mit Demenz muss weiterhin enttabuisiert werden, um den Umgang mit der Thematik für alle Beteiligten zu erleichtern. Eine offene Kommunikation hilft auch dabei, Scham und Ängste abzubauen und Strukturen zu schaffen, in welchen es auch Menschen mit Demenz ermöglicht wird, ihre Sexualität auszuleben.

Deutlich wurde auch, dass sich professionell Pflegende mehr Unterstützung seitens ihrer Arbeitgeber wünschen. Dies kann zum einen eine Öffnung für das Thema bedeuten, so dass zum Beispiel Erotikspielzeug oder Räume für Intimität ermöglicht werden. Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass mehr Möglichkeiten zur Reflexion, zu Gesprächen und zur Supervision angeboten werden sollten. Auch selbstständig oder ehrenamtlich Tätige äußerten den Wunsch nach Austausch und Gesprächsmöglichkeiten.

Menschen stehend von oben fotografiert

Abschluss der Veranstaltung

Zum Abschluss der Fachtagung hatten alle Teilnehmer*innen die Möglichkeit ihre Eindrücke, neue Erkenntnisse sowie ein allgemeines Feedback zu geben. Dabei hat es uns sehr gefreut zu hören, dass die Fachtagung für viel neues Input, neue Ideen und Inspirationen gesorgt hat.

Stefan Kleinstück, Koordinator des Demenz-Servicezentrums Region Köln und das südliche Rheinland sagte abschließend: “Dieses offene Konzept der Veranstaltung hat mir deutlich gezeigt, daß der Gesprächsbedarf zu unserem Thema weiter sehr hoch ist. Auch wenn wir bereits zum 4. Mal das Thema aufgegriffen haben, wird für mich immer deutlicher, dass wir eine Sprache finden müssen, die Ängste, Scham  und Unsicherheit überwindet, die jeweilige Persönlichkeit wertschätzt und das Thema als ein tiefes Bedürfnis anerkennt. Sprache ist auch Pflege.” 

Und auch das Team des Demenz-Servicezentrums Region Bergisches Land fand nach der Veranstaltung deutliche Worte: “Die Fachtagung warf für uns zwar wieder neue Fragen auf, aber wir konnten mit dem außergewöhnlichen Format der Veranstaltung alle, also sowohl als Veranstalter als auch als Teilnehmer, Erkenntnisse gewinnen und dadurch eigene Haltungen festigen. Resümierend finden wir die Offenheit zu einem im Alltag allseits verschwiegenen Thema, bemerkenswert. Wir wurden durch die lebhaften Diskussionsrunden sicher alle zum Nachdenken angeregt. Für uns wurde nochmals deutlich, dass jeder, der sich für Menschen mit Demenz engagiert, mit dem Thema Demenz und Sexualität konfrontiert wird und nicht umhinkommt, sich damit auseinanderzusetzen; dies vor allem, weil es sich nicht vom Umgang mit der eigenen Sexualität und den eigenen Grenzen trennen lässt. Klar wurde für uns, dass es nicht möglich ist, die Augen davor zu verschließen, weil Sexualität (auch in Senioreneinrichtungen) Offenheit braucht. Menschen mit Demenz folgen mitunter ihren Bedürfnissen, weil “Hemmungen und soziale Hindernisse” und letztlich eigene Schamgrenzen wegfallen. Ihr Verhalten richtet sich nach dem Grundbedürfnis eines jeden Menschen, was sich aber weniger als intime Sexualität als mehr in dem Wunsch nach Berührung und Zärtlichkeit äußert.”

Um das Thema auch in der Zwischenzeit nicht aus dem Blick zu verlieren, arbeiten wir gerade an verschiedenen Möglichkeiten thematisch passende Veranstaltungen in nächster Zeit durchführen zu können. Entsprechende Termine werden wir dann über den Veranstaltungskalender bekannt geben.

Informationsflyer der Fachtagung:
Flyer und Programm “Liebe eben anders”

Diese Dokumentation können Sie auch kostenlos als PDF downloaden:
Nachwort zum Fachtag “Liebe eben anders”

Dokumentation der vergangenen Fachtagungen:
Liebe eben anders – 2012, 2014 und 2016

Autorin:
Julia Sinz

Kontakt: 
Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz
Regionalbüro Köln und das südliche Rheinland
Kölner Straße 64, 51149 Köln
Website: Regionalbüro Köln und das südliche Rheinland
Facebook: @RAPDKoeln

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