Digitaler Fachtag „junge Pflege“ am 04.04.2022 – Ein Rück- und Ausblick

Junge Pflege – eine ganz besondere Herausforderung

Nachdem der als Präsenzveranstaltung geplante Fachtag zum Thema „junge Pflege“ im Herbst 2021 wegen zunehmender Corona-Beschränkungen abgesagt werden musste, konnte er nun endlich, sicherheitshalber als digitales Format, stattfinden. Nach der Begrüßung durch das Regionalbüro, bzw. dessen fachliche Leitung Herrn Arnd Bader, führte das hervorragende Moderatorinnen-Duo Frau Ziemer und Frau Meiß durch die digitale Veranstaltung mit knapp 70 Teilnehmenden.

Zum Einstieg in die namengebende Thematik des Tages gab Prof Dr. Liebetrau einen Überblick zu neurologischen Erkrankungen, die eine mögliche Pflegebedürftigkeit bei Menschen unter 50 Jahren begründen können. Es wurden natürlich nicht nur die Ursachen, sondern auch  Therapiemöglichkeiten aufgezeigt.

Die Pflegewissenschaftlerin Frau Roling gab anschließend einen Einblick in die bisher zu wenig beachtete Gruppe der jungen pflegenden Menschen, die sogenannten „young carer“. Es wurde eindrücklich geschildert welche Auswirkungen eine Pflegesituation, bzw. sogar Pflegeverantwortung auf heranwachsende Menschen haben kann.

Nach den Fachvorträgen gab es in drei bei der Anmeldung bereits ausgewählten Fachforen unter Moderation des Regionalbüros weiteren themenspezifischen Input. Vor allem bestand hier auch die Möglichkeit verstärkt in den Austausch zu kommen und Fragen zu stellen, da die Teilnehmenden ganz unterschiedlichen Zugang zum Thema hatten.

Das erste Forum befasste sich mit den Auswirkungen von junger Pflegebedürftigkeit auf das soziale Umfeld berichtete z.B. Frau Bömkes aus dem Beirat für Menschen mit Behinderung, die selbst eine pflegebedürftige Tochter hat, über die besonderen Belastungen für die Familie und auch für die Geschwister. In diesem Forum stand auch Frau Roling weiterhin mit ihrer Expertise zum Thema „young carer“ zur Verfügung. Die hohe Belastung für die Familie und das soziale Umfeld entsteht vor allem durch Tabuisierung des Themas, fehlende Transparenz in den Angeboten oder fehlende sowie schlecht zugängliche Angebote für die Zielgruppe. Ein guter Ansatz, gerade für diese Zielgruppe, ist jedoch in der Digitalisierung, bzw. der Umsetzung digitaler Angebote zu sehen. Aber auch die Schulen und das „analoge“ Umfeld der Betroffenen müssen sich diesem Thema zunehmend widmen.

Im Forum zu Therapie- und Reha- Möglichkeiten stellte Frau Deev von Reha-Assist deren ganzheitliches Reha-Konzept vor, welches individuell auf die Betroffenen abgestimmt wird und als Ziel ein möglichst selbstbestimmtes Leben, Krankheitsbewältigung, Integration und soziale Teilhabe hat. Diesen Ansatz verfolgt auch Herr Longrée der den Blickwinkel aus seiner Wuppertaler Ergotherapie-Praxis auf die Zielgruppe Jungbetroffener richtete.
Frau Hallenberg von der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Bergisches Land berichtete über eine immer größer werdende Selbsthilfegruppe von jungen Betroffenen und darüber, dass häufig sehr viele kleine Schritte notwendig sind und die Therapie zwar fordern aber auch nicht überfordern dürfe.

Im dritten Forum drehte sich alles um Wohn- und Versorgungsformen für Jungbetroffene. Die Herausforderung zur Gründung von entsprechenden Angeboten besteht z.B. darin, dass die Gestaltung einer stabilen Finanzierung für diese Zielgruppe besonders komplex ist. Frau Leddermann vom Budget-Assitenz-Dienst Sebeko stellte in diesem Zusammenhang das persönliche Budget zur Finanzierung der häuslichen Versorgungssituation vor. Auch Wohngemeinschaften könnten mit einem persönlichen Budget geplant werden. Zudem ist Kompromissbereitschaft bei allen Beteiligten gefordert. Herr Teixeira vom Projekt Pflegebauernhof regte an, dass unter Vernetzung von Budget-Assistenz und Initiatoren auch alternative Wohnformen wie z.B. ein Pflegebauernhof für jüngere Pflegebedürftige möglich seien. Grundsätzlich müssen sich entsprechende Wohn- und Versorgungsangebote auf ein sehr großes Einzugsgebiet einstellen und natürlich entsprechend der Zielgruppe Therapie- und Reha-Angebote sowie den Bedarf nach Freizeit- und Teilhabemöglichkeiten besonders in ihr Konzept einbeziehen.

Als Fazit des Tages konnten wir festhalten, dass der Bedarf und die Nachfrage für jüngere Menschen mit Pflegebedarf oder Pflegeverantwortung groß ist. Die bestehenden wenigen Einrichtungen und Angebote haben daher teils lange Wartelisten. Die Gestaltung und Finanzierung entsprechender Versorgungsmöglichkeiten ist jedoch besonders komplex und herausfordernd. „Young carer“ – also die jungen Pflegenden werden immer mehr, kommen aber in der Öffentlichkeit bisher kaum vor. Unsere Veranstaltung hat noch einmal für das Thema und die Zielgruppen sensibilisiert und es sind auch schon erste wichtige Kontakte unter den Teilnehmenden geknüpft worden. Wir werden in unserer Region an diesem Thema dranbleiben! Zudem gestalten wir im Herbst einen Fachtag zu alternativen Wohn- und Versorgungsformen. Dort werden wir den Möglichkeiten und Bedarfen für junge Pflegebedürftige sicher noch einmal besondere Aufmerksamkeit widmen.

Hier finden Sie übrigens weitere Informationen zum Thema „young carer“ auf den Seiten der Regionalbüros.

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