Mode ist ein Ausdruck von Selbständigkeit und Identität. Die Wahl des Kleidungsstücks, die Farbe und Musterung sowie Accessoires sind eine individuelle Entscheidung. Mode ist damit viel mehr als praktisch, sie ist ein Mittel der Kommunikation, eine nonverbale Erzählung. Kleidung ist nicht nur funktional, sondern kann auch die eigene Identität formen und vermitteln.
Doch was passiert, wenn sich körperliche Fähigkeiten (im Alter) langsam verlieren und was bedeutet das für den modischen Ausdruck der eigenen Person? Vergeht dieses Bedürfnis im Alter, muss es den Pflegeabläufen geschuldet aufgegeben werden oder bietet Mode einen Ausgangspunkt für biografisches Arbeiten?
Am 16.08.2022 fand ein Fachtag unter dem Titel „Was ziehe ich an, damit man mich erkennen kann – Biografie, Identität, Pflege“ in Herne statt. In den Räumlichkeiten des Heimatmuseums Unser Fritz drehte sich alles um die Bedeutung von Kleidung im pflegerischen Kontext.
Mit zunehmendem Alter oder einer Pflegebedürftigkeit geht häufig ein Verlust von motorischen Fähigkeiten einher, die für das selbstständige An- und Auskleiden wichtig sind. Aber auch die Auswahl der Kleidungsstücke ist ein Ausdruck von Selbstständigkeit und Selbstbestimmung.
Wie ergeht es Menschen und ihren Angehörigen in Pflegeeinrichtungen, wenn ein Elternteil ein Leben lang bestimmte Kleidung getragen oder einen bestimmten Stil gelebt hat, und dies plötzlich der praktischen Jogginghose weichen muss?
Neben dem Fachpublikum aus den Bereichen Beratung, Pflege und Betreuung, nahm auch eine Schulklasse der Hiberniaschule in Herne teil. Die Schüler*innen haben im August ihre Schneiderausbildung angefangen und konnten sich an dem Tag mit den Aspekten Identität und Biografie von Kleidung auseinandersetzen.
Suna Özdemir (Soziologin, Universität Bielefeld) hielt einen spannenden und aufschlussreichen Vortrag über die Bedeutung von Kleidung und Mode für die eigene Persönlichkeit und die Gesellschaft. Den gekürzten Vortrag können die Teilnehmenden per E-Mail vom Regionalbüro Ruhr erhalten.
In der anschließenden Podiumsdiskussion berichtete Ulrike Lange aus der Praxis. In ihrem Fall über den Umgang mit dem Thema in einer Demenz-WG. Dies wurde mit zahlreichen Beiträgen aus dem Publikum ergänzt.
Die Veranstaltung machte noch einmal deutlich, dass Kleidung ein wichtiger Ausdruck von Identität und der persönlichen Biografie ist, der in dem Pflege- und Betreuungsalltag noch nicht die nötige Beachtung findet. Sowohl die Expert*innen aus den pflegerischen Bereichen, als auch die angehenden Schneider*innen wollen die Bedeutung von Kleidung bei ihrer zukünftigen Arbeit noch stärker mitdenken und sich untereinander vernetzen.