Stille Stunde für Menschen mit Autismus oder andere Personen mit Reizverarbeitungsschwierigkeiten
Die Deckenbeleuchtung ist gedimmt, Durchsagen und Musik verstummen, und das Einräumen der Regale setzt für zwei Stunden aus. An den Kassen ist der Quittungston der Scanner ausgeschaltet und mehr Personal im Einsatz, um Schlangen zu vermeiden.
Das ist die „Stille Stunde“ in zwei Lebensmittelmärkten in Bergisch Gladbach, die am Dienstag, dem 1. März, erstmalig ausprobiert wurde – mit Erfolg, wie man die Reaktionen der Kundinnen und Kunden deuten konnte.
Reizüberflutung im Alltag kann insbesondere für Personen mit Autismus oder andere Personen mit Reizverarbeitungsschwierigkeiten zur Herausforderung werden. Deshalb möchte die „Stille Stunde“ den Kundinnen und Kunden eine reizreduzierte Zeit zum Einkaufen anbieten, bei der Augen und Ohren geschont und die Ablenkung im Geschäft minimiert werden soll. Dazu gehört auch, dass in dieser Zeit Assistenzhunde dort, wo es möglich ist, in den Geschäften willkommen sind.
„Bergisch Gladbach ist eine der ersten Städte Deutschlands, die dieses Konzept nun ausprobiert. Deshalb sind wir auch froh und dankbar, dass wir einen Einzelhändler und eine Einzelhändlerin für diese Projekt gewinnen konnten. Wir hoffen, dass sich noch weitere Kooperationspartner finden lassen“, erklärt Monika Hiller, Inklusionsbeauftragte der Stadt Bergisch Gladbach. Initiatorin Katharina Kaul vom Inklusionsbeirat hatte von einem solchen Angebot in der Schweiz gelesen und fand es nachahmenswert: „Das ist eine ganz andere Art der Inklusion, die wir anbieten können.“
Die „Stille Stunde“ soll in den Geschäften ab dem 1. März jeden Dienstag zwischen 16 und 18 Uhr stattfinden. In dieser Zeit sind natürlich auch alle anderen Kunden herzlich willkommen. „Gerade am Anfang werden wahrscheinlich viele Fragen gestellt werden, warum es in den Läden leiser und dunkler ist als sonst, aber wir informieren gerne über die Gründe“, erläutern die beiden Kaufleute. „Auch sind wir für Anregungen und Ideen der Kundinnen und Kunden zur Optimierung der Stillen Stunde offen.“
„Stille Stunde“ – Von Neuseeland über die Schweiz nach Bergisch Gladbach
Die Idee und Umsetzung der „Stillen Stunde“ stammt aus Neuseeland und geht auf eine Angestellte einer Supermarktkette und Mutter eines autistischen Kindes zurück. Denn sobald sie mit Ihrem Kind einkaufen ging, begann es zu schreien. Nach einem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten und verschiedenen Tests in den Geschäften wurde die „Stille Stunde“ dort 2018 eingeführt. Grund für die Einführung war, dass Menschen, die mit Autismus leben, oft an einer Reizüberflutung leiden, da sie sämtliche Eindrücke ihrer Umgebung nicht filtern können und somit schnell mit der Situation überfordert sind.
In der Schweiz wird die „Stille Stunde“ ebenfalls seit Kurzem getestet und wird dort immer beliebter, da die Ruhe beim Einkaufen von vielen Menschen einfach nur als wohltuend empfunden wird. In Deutschland wird dieses Projekt in vielen Kommunen interessiert beobachtet und nun in Bergisch Gladbach auch umgesetzt.