11. Februar – Internationaler Tag der Mädchen und Frauen in der Wissenschaft

Welche Frau und Wissenschaftlerin hat in Deutschland die größte Bedeutung für ältere und alte Menschen und auch für pflegende Angehörige? Aus meiner Sicht ist das ohne Zweifel Ursula Lehr. Sie wurde 1930 geboren, promovierte 1954 und wurde 1986 als Professorin an die Universität Heidelberg auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Gerontologie, die wissenschaftliche Alterskunde, berufen. 1995 wurde sie Gründungsdirektorin des Deutschen Zentrums für Altersforschung.

Schon früh wies sie den Zusammenhang zwischen psychischer Belastung bei Frauen durch Rollenkonflikte in der Familie und die Tochterrolle gegenüber den alternden Eltern nach, vor allem in Bezug auf Unterstützung in Notlagen und Hilfe- und Pflegebedarf.

Sie forschte zu psychischen Entwicklungsprozessen im Alter und beschrieb die Einflüsse von biologischen, sozialen, ökologischen und persönlichkeitsspezifischen Faktoren.

Sie forschte zur Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer im Beruf und ging Überlegungen nach, wie der Ausstieg aus dem Beruf und die nachberufliche Zeit gestaltet werden sollten.

Ihre Forschungen waren und sind politisch hochbedeutend. 1988 wurde Ursula Lehr Nachfolgerin von Rita Süssmuth als Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Sie baute dort die Seniorenpolitik auf und aus und initiierte 1989 den ersten Altenbericht. Dieser analysierte umfassend die Lebenssituation älterer Menschen. Aktuell ist der 8. Altenbericht zum Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ erschienen.

2009 bis 2018 war sie Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und somit auch getreu ihren eigenen Forschungsergebnissen in der nachberuflichen Phase aktiv. Sie starb 92jährig im vergangenen Jahr 2022.

Ursula Lehrs Leben als herausragende Wissenschaftlerin, Politikerin und zivilgesellschaftlich Engagierte ist für ihre Zeit, beginnend in den 50er Jahren des letzten Jahrhundes, nicht selbstverständlich gewesen. Wir müssen uns das gelegentlich bewusst machen in der heutigen Zeit, in der Frauen führende Positionen in Wissenschaft und Politik einnehmen und wir den Satz eines ehemaligen Bundeskanzlers „Ministerin für Frauen und Gedöns“ mit Kopfschütteln quittieren.

 

Martin Kamps

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